Hören Sie rein in den Podcast "Weltmarkt – der Podcast der deutschen Außenwirtschaft".
In der Folge vom 28. Februar 2024 ist unsere Delegierte der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen
Dr. Dalia Samra-Rohte als Gesprächspartnerin dabei.
Über den Podcast: Weltmarkt – der Podcast der deutschen Außenwirtschaft
Fast jede Unternehmerin und jeder Unternehmer in Deutschland träumt vom Weltmarkt - will skalieren, exportieren, international expandieren.
Diese Folge des Podcasts zeigt, wie es geht. Woran es hapert, wenn es nicht klappt und wo die Geschäftsfelder der Zukunft liegen. Der Podcast schaut den klügsten Köpfen über die Schulter. Mal in Kiel, mal in Dresden oder auf der schwäbischen Alb, wo immer sie zu Hause sind. Wir sprechen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft über die neuesten Chancen auf den internationalen Märkten! Wir haken nach. Dort, wo die Weichen gestellt werden für Europas größte Volkswirtschaft: in der Politik.
Bei uns hören Sie in Reportagen, Berichten und Interviews ab sofort jeden Monat, was sich Neues tut in der Export-Nation und wie das Ihr Business ankurbeln könnte.
Folge 16: Frauen erobern schwierige Märkte
- März 2024 -
Weibliche Führungskräfte, die schwierige Länder für ihr Unternehmen erschließen – ist das schon Alltag oder noch etwas Besonderes? Und wie sieht das in speziell männerdominierten Branchen aus?
Frauen schaffen es immer noch seltener als Männer nach oben, in die gut bezahlten Entscheiderjobs. Nicht einmal jede dritte Führungskraft in Deutschland ist eine Frau, unter den Vorständen von Deutschlands 100 größten Unternehmen nicht mal jedes fünfte Mitglied. Wir unterhalten uns mit Frauen, die es dorthin geschafft haben, wo sie noch eine Minderheit sind: ganz an die Spitze - und das sogar in klassischen Männerbranchen.
Gäste in dieser Folge
- Nur Hayat Nezir, ABRAMS Industries GmbH & Co. KG,
- Dr. Dalia Samra-Rohte, Delegierte der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen
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Katharina Kreitz, Vectoflow
Link bei Spotify: https://open.spotify.com/episode/3nGNndWjCok9iMSbUC1BYA?si=u3avRm05RFirWcnTfauqCg
Transkription der Folge | Gespräch mit Dr. Dalia Samra-Rohte
Wir schauen auf die arabische Halbinsel, zu Dalia Samra-Rohte, Delegierte der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen. Sie leitet die Auslandshandelskammer in Riad, hat sich als Frau im Geschäftsleben dort noch nie benachteiligt gefühlt, im Gegenteil ...
Frau Samra-Rohte, vielleicht könnten Sie uns bitte kurz erzählen, was genau Sie im Netz der AHKs, der Deutschen Auslandshandelskammern, machen?
Dalia Samra-Rohte: Ich bin seit viereinhalb Jahren für die AHK, die Delegation der deutschen Wirtschaft in Saudi Arabien. Zuvor habe ich 15 Jahre das Büro der AHK in Abu Dhabi geleitet und davor war ich drei Jahre in Kairo an der AHK. Also bin schon sehr lange im AHK-Netzwerk. Als Hintergrund, warum ich auch eine gewisse Affinität zur arabischen Welt habe: Ich bin halb Ägypterin, bin in Deutschland aufgewachsen, hab in Kairo an der amerikanischen Uni zum Teil, aber auch an der FU in Berlin studiert und promoviert und interessiere mich daher schon sehr lange für die Region.
Es gibt 150 AHK-Standorte in 91 Ländern, mit entsprechend vielen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern. Ich könnte mir vorstellen, dass das wahrscheinlich eher eine Männerdomäne ist …
Dalia Samra-Rohte: Wir haben mittlerweile 18 Geschäftsführerinnen an den unterschiedlichsten Standorten u- nd wie unser Hauptgeschäftsführer immer sagt, an den schwierigsten Standorten.
Aber was macht FRAU da so, als Delegierte der deutschen Wirtschaft in Saudi-Arabien?
Dalia Samra-Rohte: Die klassischen Aufgaben einer Delegierten sind einmal natürlich, die Marktpotenziale zu identifizieren, zu identifizieren, wo relevante Themen für die deutsche Wirtschaft plaziert werden, sei es bei den Landesregierungen oder auch in Deutschland. Hier im Team vor Ort organisieren wir viele Delegationsreisen von Deutschland nach Saudi-Arabien, aber auch umgekehrt. Wir machen viele Networking-Events, wo wir eben auch die Wirtschaft mit der lokalen Wirtschaft, mit lokalen Institutionen zusammenbringen. Und als Geschäftsführerin ist man ja dort auch sehr stark eingebunden bei der Moderation von Paneldiskussionen oder eben auch bei der lokalen Regierung entsprechend die Themen zu plazieren und die deutsche Wirtschaft dort sozusagen zu repräsentieren.
Sie sind tatsächlich die erste Frau auf diesem schwierigen Posten. Ist das nicht kompliziert? Also, Saudi-Arabien ist ja jetzt nicht gerade für Gleichberechtigung bekannt …
Dalia Samra-Rohte: Seit sechs Jahren findet hier ein Transformationsprozess statt, der sehr stark durch den König und dann durch den jungen Kronprinzen angestoßen wurde. Nennt sich Vision 2030. Und im Rahmen dessen öffnet sich das Land sehr, sehr stark und insbesondere auch das Thema Frauen, die in der Vergangenheit eben nur in bestimmten Bereichen arbeiten durften, also das sehr eingeschränkt war, findet momentan eine sehr, sehr starke Frauenförderung statt.
Als Sie in Riad gestartet sind, waren nur vier Prozent Ihres Teams im AHK-Büro weiblich. Wie ist das heute?
Dalia Samra-Rohte: Mittlerweile sind wir bei 70 % Frauenanteil. Saudische Frauen, deutsche Frauen. Also auch da hat sich sozusagen das das Team sehr, sehr stark verändert und mit dem gesamten Transformationsprozess, der unheimlich viel Möglichkeiten für die deutsche Wirtschaft gibt, sei es Aufbau von Tourismussektor, Unterhaltungssektor, das sind alles Themen, die es in der Vergangenheit vor der Vision 2030 gar nicht gab. Also nur als Beispiel: Im Bereich Unterhaltungswirtschaft gibt es Konzerte, wo wir viel auch deutsche Technologien im Veranstaltungsbereich plazieren. Veranstaltungen. Während es bis vor sechs, sieben Jahren war es verboten, hier überhaupt öffentlich Musik zu hören sei, es sei denn, es war der Koran und man hier also einen extremen Wandel, wo es viele, viele Anknüpfungspunkte für die deutsche Wirtschaft gibt, eben beobachten kann und wir dadurch auch in dieser Transformation zunehmend natürlich auch unser Angebot und unsere Veranstaltungsformate anpassen.
Da hat Saudi-Arabien ja einen echten U-Turn hingelegt. Ich erinnere mich, vor 2018 durften Frauen dort ja nicht mal selber Autofahren.
Dalia Samra-Rohte: Also so werden Frauen in Deutschland sozusagen in diesem Wandlungsprozess wahrgenommen. Es ist aber eigentlich wesentlich mehr als das. Zum einen ist es so, dass erst mal die Justizreform, die stattgefunden hat, ein wesentlicher Bestandteil war in diesem Transformationsprozess, insbesondere aus der Perspektive für Frauen, Frauen in der Wirtschaft auch. Frauen können ohne Genehmigung des Mannes reisen. Das betrifft natürlich auch insbesondere Geschäftsreisen. Frauen dürfen ohne Genehmigung des Mannes arbeiten. Es gibt viele, viele Ansatzpunkte, wo man sozusagen das Umfeld und das Leben für die Frauen wesentlich unabhängiger und einfacher gemacht haben. Und gleichzeitig sehen wir eben auch immer mehr Frauen in im Berufsleben. Ziel war es ursprünglich, dass man bis 2030 auf 30 % Frauenanteil im Berufsleben kommt, im Rahmen der Vision, mittlerweile sind wir, also Ende 23, waren wir bei 37 % bereits. Und wir sehen, dass eine sehr, sehr starke Förderung im Berufsleben, also eine sehr starke Frauenförderung im Berufsleben stattfindet, die sehr oft als der Motor des wirtschaftlichen Wandels auch gesehen werden.
Frauen also als Motoren der Wirtschaft?
Dalia Samra-Rohte: Das ist in gewisser Weise vielleicht auch als ein Weg in die Freiheit zu sehen. Sie sind fleißiger, sie sind sehr verbindlich, aber sie sind auch sehr gut ausgebildet, weil man hat schon trotz dieses sehr konservativen, doch damals sehr rückwärtsgewandten Landes, hat man in den letzten zehn Jahren auch sehr stark in Bildung von Frauen schon investiert. Und sie haben zum Beispiel prozentual gesehen einen wesentlich höheren Anteil an Frauen in MINT-Fächern als wir es in Europa haben, oder insbesondere in Deutschland. Und so sieht man auch, wenn man zum Beispiel beim Ölkonzern Aramco ist, in der Öl- und Gasbranche, die ja doch weltweit eher männlich dominiert ist, sieht man doch auf den Fluren und auch zunehmend in höheren Positionen immer mehr weibliche Fachkräfte. Und man erlebt eigentlich in allen Bereichen große Unterstützung von saudischer Seite für Frauen im Berufsleben. Man hat mittlerweile zwei Vize-Ministerinnen, man sagt sechs Botschafterinnen im Ausland. Aber so langsam sieht man, dass auch die Frauen in die Führungsetagen weiter vordringen.
Auch wenn sich in den vergangenen Jahren vieles geändert hat. Im Stadtbild sieht man immer noch sehr viele verschleierte Frauen, auch komplett verschleierte Frauen, wo nur die Augen zu sehen sind. Das müssen deutsche Frauen nicht machen, sie müssen sich gar nicht verschleiern. Was sollten deutsche Geschäftsfrauen denn für einen Business-Trip nach Saudi-Arabien in den Koffer packen?
Dalia Samra-Rohte: Wenn deutsche Geschäftsfrauen nach Saudi-Arabien kommen, sagen wir immer, dass sie einfach immer noch gut im Hosenanzug zu kommen oder blickdichte Strumpfhosen zu tragen. Aber schon konservativ, wie man auch in Deutschland letztendlich in ein Geschäft-Meeting gehen würde, bekleidet zu sein. Also weniger jetzt vielleicht im kurzen Rock. Und dann wird man auch sehr, sehr stark respektiert.
Halten Sie das überhaupt für eine gute Idee, als Frau in Businessangelegenheiten nach Saudi-Arabien zu reisen?
Dalia Samra-Rohte: Ich versuche immer, viele deutsche Geschäftsfrauen auch zu motivieren, in die Region zu kommen. Man wird überall mit sehr großem Respekt behandelt. Man hat oft noch in den Meetings die Möglichkeit, dass man sozusagen sich wesentlich mehr rausnehmen kann, als ein Mann sich rausnehmen könnte. Weil der Fokus auch sehr stark auf den Frauen liegt. Also diese klassische Entgegenkommen einer Frau. Sie muss zuerst sprechen, man muss ihr zuhören. Da sage ich: Manchmal hat man es einfacher als ein Mann. Weder hier bei uns im Team, noch irgendwie bei bei Delegationen haben wir je nie irgendeine schlechte Erfahrung gemacht oder das Gefühl bekommen, wir werden hier nicht erwünscht, weil wir Frauen sind. Im Gegenteil, eigentlich wird der Respekt und die Höflichkeit, die einem entgegengebracht wird, findet man nicht in allen Teilen der Welt vor.
Wenn Sie Frauen einen Tipp mit auf den Weg geben könnten. Welcher wäre das?
Dalia Samra-Rohte: Sich so zu geben, wie man sich auch in Deutschland gibt. Und man soll wie überall im Geschäftsmeeting als Frau bestimmend auftreten. Höflichkeitsfloskeln sind in der arabischen Welt ja insgesamt sehr, sehr wichtig immer. Auch am Anfang ein bisschen Smalltalk zu machen, zuzuhören. Aber für den Erfolg eines Geschäftes ist es ganz wichtig, dass man immer wieder in die Region kommt, dass man diese persönlichen Beziehungen aufbaut. Und da muss ich sagen, dadurch, dass eben gerade aus Deutschland oder Europa nicht so viele Geschäftsfrauen kommen, erlebe ich, dass man damit auch eine gewisse herausragende Position hat, indem man sich immer wieder noch sehr gut an die Frau erinnert, die Geschäftsfrau erinnert, die gekommen ist. Von daher ist es ein guter Zeitpunkt, das momentan auch zu nutzen, man kann sich da sehr, sehr gut als Frau positionieren.
Vielen Dank Frau Rohte für die spannenden Einblicke. Ganz offensichtlich hat sich in Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren viel getan.
Weltmarkt – der Podcast der deutschen Außenwirtschaft
Dr. Dalia Samra-Rohte als Gesprächspartnerin dabei.
Dr. Dalia Samra-Rohte leitet als Delegierte der deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen die Auslandshandelskammer (AHK) in Riad und erschließt die Region für Unternehmer:innen und Investor:innen seit Mitte August 2019. Sie wird oft als Rednerin zu nationalen und internationalen Konferenzen eingeladen, wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung und Markterschließungsstrategien geht und ist auch Expertin für digitale Start-Ups und Unternehmerinnentum. Vor ihrer aktuellen Position leitete die promovierte Politikwissenschaftlerin 15 Jahre lang das AHK-Büro in Abu Dhabi.
Podcast: Weltmarkt - Folge 16: Frauen erobern schwierige Märkte